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Laudatio von Prof. Dr. Robert Müller-Török (7. November 2015)

 

Christoph Bodmer ist ein Entdecker und Sammler von Schönheiten im Alltag. Unser Alltag ist geprägt durch Hässlichkeiten aller Art, durch gar nicht so smartes Starren auf Smartphone-bildschirme und durch das Nichtwahrnehmen von Schönheit.

 

Der Sinn für das Schöne ist uns schon lange verlorengegangen: Bereits 1984 beklagten ein Schriftsteller und ein Journalist, ein Roter und ein Schwarzer in einer großen Koalition der Schönheitssuchenden die Hässlichkeit und verlangten in einem Manifest, dass die Schönheit wieder in ihre uralten Rechte eingesetzt werden müsse.

 

Was ist nun das Schöne, das Bodmer sich und uns entdeckt? Was ist die Kunst im Werk von Christoph Bodmer?

Sie ist

  1. Das Entdecken der Schönheit im Alltag, beispielsweise in Form von dem, was der vorübereilende Unsensible als Plakatreste bzw. abgerissene Plakate wahrnehmen bzw. eigentlich gar nicht wahrnehmen würde, er würde es so bezeichnen.

  2. Das Sammeln des Schönen und das Arrangieren zu seinen Décollagen.

  3. Die Vermittlung des Schönen an diejenigen, die sonst vorübereilen, beispielsweise heute und hier an uns.

Die Entdeckung des Schönen im Alltag ist manchmal mühsamer, als es scheint. Ich erinnere mich noch mit Schweißperlen an einen heißen Sommertag im tschechischen Pilsen, wo wir beide auf dem Weg zu den göttlichen Quellen des Pilsner Bieres waren, als er das Schöne entdeckte: So stand er gefühlte 20, 30 Minuten vor einigen der Witterung ausgesetzt gewesenen Plakaten, ehe er mit sicherer Hand die Schönheit daraus extrahierte und den Rohstoff für eines seiner Bilder gewann – fragen Sie ihn danach selbst, für welches!

 

Ich verdanke ihm viel – so kann ich immer noch die tschechischen Namen der Türschilder, die ich während des Wartens auswendig gelernt habe. Sie glauben es nicht? Drabek, Navratil, Pospisil .. ich erspare Ihnen die ganze Liste.

 

Er erinnert mich an einen anderen Künstler meiner Jugend in Wien, an Hermann Nitsch, den Meister des Aktionismus. 1985 veranstaltete er eine Malaktion in der Wiener Sezession und stand dort ebenfalls gefühlte 20, 30 Minuten mit einem Achtelliterglas voll roter Farbe sinnierend vor einem Schüttbild, welches halbfertig vor ihm auf dem Boden lag. Schwere, klassische Musik erfüllte den Raum .. und dann schüttete er den Glasinhalt mit einer einzigen, sicheren Handbewegung über das Bild.

 

Diese Sicherheit des Künstlers, dieses Wissen um das, was man tut und schafft, das besitzt Christoph Bodmer. Und wir sollten sie uns aneignen.

SZ am Wochenende (12./13. September 2015)

Im Zauberwald

 

Sich ineinander verschlingende Äste, Pflanzen, die man nicht einmal mit Namen kennt, große, rote Beeren - es ist so, als würde man in den Träumen durch eine Fantasiewelt spazieren. Irgendwo. Und irgendwann. Der farbintensive Dschungel, den der Münchner Künstler Christoph Bodmer in seinen Arbeiten thematisiert, könnte eine Allegorie auf das Leben sein, auf das Unvorhergesehene.

 

Und er ist gleichermaßen der Blick auf etwas, das verloren gehen kann. Bodmers Gemälde zeigen den bedrohten, geschundenen, aber auch zauberhaften Regenwald - und eine Natur, die sich Stück für Stück ihren Lebensraum zurückholt. "Solange es uns vermeintlich gut geht, fragen wir nicht, was uns unser Wohlstand wert ist. Wir opfern ihm die Einzigartigkeit des Lebens" sagt der Künstler.